2. n. Tr.

2. Sonntag nach Trinitatis:

1. Korintherbrief Kapitel 9, Verse 16 bis 23:

Teilhabe am Evangelium heißt Teilhabe am Leben der Menschen in ihren verschiedenen Lebenszusammenhängen

Das Evangelium besitzt für Paulus eine eigentümliche Faszination, der er sich nicht entziehen kann. Darum "muss" er das Evangelium verkündigen, ob er will oder nicht. Es ist keine Frage des subjektiven Wollens oder einer persönlichen Befähigung dazu. Das Evangelium (wie jedes andere Wort Gottes) nimmt ja Menschen in Beschlag. Sie können deswegen auch auf keine besonderen Verdienste ("Ruhm") verweisen oder Belohnung für ihre Tätigkeit ("Entgelt") beanspruchen. Die Verkündigung des Evangeliums ist für Paulus eher als eine (von Gott her geschehene) Beauftragung zu einem bestimmten "Dienst" denn als ein "Amt" zu bezeichnen. Wenn Paulus eine Art Copyright oder sonst ein Recht an seiner Evangeliums-Verkündigung hätte, so "mache er jedenfalls keinen Gebrauch davon" (V. 18).

Es geht Paulus hier - wie so oft - darum, im Hinblick auf seinen Dienst an der Welt seine innere und äußere Freiheit zu demonstrieren, abhängig allein von seinem Herrn, dem er diesen Dienst gegenüber jedermann schuldet. Denn er möchte und soll "möglichst viele" Menschen für Christus, seinen Herrn, gewinnen.

Sein Rezept erscheint auf den ersten Blick ziemlich opportunistisch: Er sei allen alles geworden. Den Juden gegenüber kann er als Jude auftreten, den Nicht-Juden gegenüber als ein Nicht-Jude. Es scheint, als besäße er eine doppelte Staatsangehörigkeit oder als befänden sich zwei Seelen (Identitäten) in seiner Brust, wobei er gleichzeitig zu verstehen gibt, dass er im Grunde ein neuer Mensch und mit den alten Kategorien nicht mehr zu beschreiben ist. Unter dem Aspekt des "Gesetzes" gesehen, bedeutet dies, a) dass er (was für seine Auseinandersetzung mit Juden wichtig ist) zwar das Verhalten eines dem Gesetz unterworfenen Menschen durchaus kennt, aber sich jetzt nicht mehr diesem Gesetz unterworfen, sondern im Gegenteil von seinem Druck befreit weiß; und b) (wichtig für seine Auseinandersetzung mit Nicht-Juden, Griechen oder andere "gesetzlos! lebende Heiden), dass er ein ganz neues Gesetz besitze, das nicht nur nicht mit dem alten vergleichbar sei, sondern überhaupt erst Freiheit von jedem Gesetz bedeutet, aber zugleich eine Freiheit in der Bindung an Jesus Christus als den neuen Herrn darstellt.

Den vom Gesetz Abhängigen bringt das Evangelium also eine ganz neue und überwältigende Freiheit, den gesetzlosen Heiden dagegen eine feste Bindung und Ausrichtung des ganzen Lebens, wie sie ihrem schweifenden Blick und vagabundierenden, alles verdrehenden Lebenswandel völlig fern lag.

Konkret gesprochen bedeutet diese Angleichung seines äußeren Lebens an die vorhandenen Strukturen des Menschseins, dass er - wenn es sein muß - auch den Schwachen ein Schwacher, den Starken ein Starker, den Klugen ein Kluger usw. sein kann (wobei er selber allerdings nur von den Schwachen spricht, als gelte ihnen und nicht so sehr den Klugen oder Starken seine besondere Liebe). - Immer geht es ihm dabei darum, "auf alle nur mögliche Weise wenigstens einige Menschen zu retten" (V.22), d.h. für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen.

Was sich zunächst wie eine billige Anbiederung anhören mag, ist eben nichts anderes als die immer neue Aufgabe, in den wechselnden missionarischen Situationen der Evangeliums-Verkündigung, das Vertrauen der anderen Seite zu gewinnen durch Wahrnehmung und Ernstnehmen ihrer Lebensform. Doch hat diese Angleichung sicher dort eine Grenze, wo die neue Freiheit in Jesus Christus, die zugleich eine strenge Bindung an den neuen Herrn beinhaltet, durch falsche Anpassung an den Zeitgeist gefährdet ist.

Vergessen wir also nicht: Es geht Paulus in seinem Zugehen auf die Menschen immer um ein Eingehen auf ihre Eigenart, weil um ihre Rettung durch das Geschenk der Freiheit, nicht um sein Aufgenommensein und Dabeisein in ihren Kreisen, seine Teilnahme an ihren Gruppenprozessen, was letztlich sogar zur Selbstauslieferung an die herrschenden Trends gesellschaftlicher Bevormundung (und Demütigung) der Schwachen (und weniger Talentierten) durch die "Starken" in welcher Form auch immer führen müsste.

So kann er zum Schluss dieses Abschnittes noch einmal betonen, was er schon zu Beginn sagte, dass es ihm bei diesem Tun immer um das Evangelium geht, das zu verkündigen Christus ihm aufgetragen hat, damit er auf alle erdenkliche Weise auch konkret an ihm teilnehmen kann.

Pfarrer Massalsky, 6. 6. 2002