Ostern 2015: Die Auferstehung des Lazarus

Mit der Predigt über ausgewählte Verse aus Joh. 11 (bes. VV.1-3.17-27.38b-39a.41.43-45) knüpfe ich an das Osterevangelium (Mt 28, 1-10) an, das von unserer Lektorin verlesen wurde, wobei Joh 11, 25f. bei mir einen besonderen Stellenwert bekommt. (vgl. auch den Text über Joh 20, 24ff. „Glauben und Sehen“)

 

Liebe Gemeinde am frühen Ostermorgen,

 

(A. Der Tod scheint die Gegenwart zu regieren, Gott nur das Jenseits. So denken viele. Christen sollten sich mit dieser Haltung nicht abfinden. Wieviel Auferstehungsbotschaft ist in unserem Glauben noch enthalten?)

 

die Frauen gehen weg und wollen den Jüngern verkünden, was sie gehört und gesehen haben. Was wird davon bei uns ankommen? Vielleicht fragen wir uns das heute einmal alle! Wir kennen ja vermutlich alle das Spiel, wenn in einer Gruppe eine bestimmte Nachricht von einem zum andern weitergeflüstert wird. Was kommt bei den Letzten noch von ihr an? Und heute sind wir die Letzten, die vorläufig letzte Generation, die die Botschaft von der Auferstehung Jesu vernimmt.

Dazu will ich uns heute morgen an die Geschichte der sogenannten Auferweckung des Lazarus erinnern, weil sie uns deutlich machen kann, daß an Ostern auch unser Leben auf neue Grundlagen gestellt wird. Die meisten von uns kennen sie nur als eine absonderliche Wundergeschichte. Und weil unsere Zeit mit dem Wunder nicht viel anfangen kann, überhören wir meistens auch, worauf es Jesus tatsächlich ankommt. Denn für ihn steht nicht das Wunder im Zentrum, sondern die Unterredung mit Martha.

Im apokalyptischen Glaubensverständnis vieler Juden zur Zeit Jesu war die Totenauferstehung ein Ereignis der Endzeit. Am Ende der Zeiten wird Gott alle Lebenden und Toten zu sich rufen. So dachte auch Martha: erst am Ende der Zeiten wird Gott die Toten auferwecken. Aber dann wird es auch keinen Tod mehr geben, die Angst vor dem Lebensende, das Elend des Leidens und Sterbens, das uns mitten im Leben so oft in Panik versetzt, wird dann überwunden sein. Aber vorläufig bleibt alles noch beim alten.

Solange der Tag der Neuwerdung dieser Welt nicht eingetreten ist, regiert der Tod unbarmherzig über die Schicksale dieser Welt. Wir erleben es jeden Tag. (Beispiele der jüngsten Vergangenheit...) Auch wir Älteren spüren sein Näherkommen jeden Tag mehr am Nachlassen der eigenen körperlichen Kräfte, wenn wir uns nichts vormachen, allen Bemühungen um Fitneß und Gesundheit - auch im hohen Alter - zum Trotz.

Also ist die Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag bloße Zukunftsmusik, eine Hoffnung, die in unserem Leben nicht in Erfüllung gehen kann?

Heißt das, daß wir uns alle bis zum heutigen Tag und auch in Zukunft mit dem Tode abzufinden haben, den uns die Medizin durch ihr technisches Können zwar ein Weilchen länger als früher vom Halse halten, aber niemals ganz ersparen kann? Ja, so scheint es! Denn letztlich ist ja gegen ihn kein Kraut gewachsen. So haben es die Ärzte schon immer gesagt, die uns keine falschen Hoffnungen machen wollen, wenn nach menschlichem Ermessen der Tod unaufhaltsam näherrückt.

 

(B. Was uns die Lazarzusauferweckung für unser persönliches Ostern zeigen kann: Sie zeigt uns, daß sich die Hoffnung auf die Überwindung des Todes nicht erst in einem fernen Jenseits erfüllen wird, sondern schon in der Gegenwart anbrechen kann und muß, wenn wir aus dem Glauben an Jesus Christus leben wollen.)

 

(I. Leben heißt ja nicht nur: auf das Jenseits ausgerichtet bleiben, sondern daß das Jenseits in das Diesseits tritt und das Weitermachen wie bisher verhindert.)

 

So ungefähr dachten damals in der Tat auch viele Juden, selbst jene, bei denen Jesus ein- und ausging, wie bei Martha, Maria und Lazarus (jedenfalls solange Jesus nicht auferstanden war).

Der christliche Glaube aber (aufgrund der geschehenen Auferstehung Jesu, d.h. mit seiner Auferstehung im Rücken) hat eine andere Sicht der Dinge gewonnen.

Martha meinte, Lazarus mußte nur deshalb sterben, weil Jesus nicht rechtzeitig zurückgekommen war. Es klingt wie ein Vorwurf, wärst du rechtzeitig dagewesen, dann wäre das alles nicht passiert. Für den jüdischen Glauben ist es jetzt leider zu spät, dieser Tod läßt sich nicht mehr rückgängig machen, denn der Leichnam stinkt bereits, wie es bei Johannes sehr drastisch heißt. An diesem Tod kann gewiß auch Jesus nichts mehr ändern.

 

Doch über diese Sicht schiebt sich nun eine neue Perspektive. Diese will uns der Evangelist mit der Geschichte von der Auferweckung des Lazarus vor Augen führen. Denn Jesus vollbringt nicht nur an den Kranken und Ausgestoßenen Wunder, er ist vielmehr der Herr über Leben und Tod. Aber das Leben, das uns Jesus schenkt, ist nicht als bloße biologische Verlängerung unseres alten, in die Jahre gekommenen Lebens zu verstehen, sondern es ist Neues Leben aus der Kraft der Auferstehung Jesu.

In der Gegenwart seiner Gemeinde wirkt diese Kraft nach in dem Satz Jesu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“, ein Satz, der aus dem Munde jedes normalsterblichen Menschen eine ungeheure Anmaßung, ja reiner Irrsinn wäre.  Nur weil Christus auferstanden ist, wie es die Jünger Jesu und viele weitere Mitglieder der Urgemeinde mit eigenen Augen gesehen und bezeugt haben, ist dieser Ausspruch keine leere Behauptung, auch wenn sie nach 2000 Jahren nicht mehr empirisch verifiziert werden kann. Darauf basiert hier auch Marthas nachträgliches Bekenntnis, daß Jesus der Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes ist. Ohne die bereits geschehene Auferstehung Jesu wäre weder Jesu Spruch noch Marthas Bekenntnis zu ihm gerechtfertigt. Aber weil Jesus tatsächlich auferstanden ist (auch wenn die Auferstehung Jesu von den Evangelisten teilweise sehr verschieden interpretiert worden ist), darum darf Jesus bei Johannes schon hier (in seiner irdischen Existenz, die gleichwohl ganz von seiner überirdischen Hoheit erfüllt gesehen wurde) die ihm von Gott verliehene Vollmacht vor den dort anwesenden Menschen demonstrieren (vgl. V. 42), von denen daraufhin dann viele zum Glauben an ihn kamen (nach V. 45). (So ist dieser Satz Jesu sachlich gesehen sogar die Grundlage des nachösterlichen Bekenntnisses der christlichen Gemeinde zu Jesus geworden.)

 

Ich bin die Auferstehung, ich bin das Leben ...“. „Ich“ bin dazu da, damit ihr, liebe Brüder und Schwestern, nicht im permanenten Schrecken vor dem Tod euer Leben verliert, vor dem ja leider auch wir Gläubigen prinzipiell nicht bewahrt werden können [wie sich in unserer "Ecke" schon daran zeigt, wie leicht selbst wir unsere Hoffnung auf neues christliches Leben verlieren, wenn wir z. B. an die bei uns inzwischen aufgebrochenen Gegensätze denken, die das Zukunfts-Projekt einer gemeinsamen Regionalgemeinde Tiergarten plötzlich wieder gefährden, ja zum Scheitern bringen können].

Damit aus deinem und meinem Leben etwas Gutes werden kann und nicht bloß ein ständiger Kampf mit den unerfreulichen Gegebenheiten unseres Lebens und zuletzt mit dem Tode, von dem uns einerseits nur die Medizin und andererseits die Vergnügungsindustrie ein Stück weit ablenken können, darum gilt es, die eigentliche Bedeutung dieser Geschichte richtig zu erfassen:

Nicht die Wundererzählung als solche steht im Vordergrund, denn dieses Wunder ist einmalig und seit Jesu Himmelfahrt auch nicht mehr wiederholbar. Entscheidend ist, wie wir mit unserem heutigen Leben umgehen. Darauf zielt dieses Evangelium, daß wir erkennen: Nicht der Tod ist in unser Leben zu integrieren, denn der ist immer schon in unserem Leben gegenwärtig, sondern das Leben des auferstandenen Herrn!

 

Während Martha ursprünglich dachte, daß das neue Leben erst am Jüngsten Tag auch für uns Christen beginnen wird, spricht Jesus zu uns als der Gegenwärtige „Ich bin...“ ("Ich bin das Licht...", "Ich bin das Brot...", "Ich bin der Weinstock..." usw.) In diesem Sinne soll das neue Leben der Auferstehung auch auf unsere Gegenwart ausstrahlen. Gemeint ist also eine Diesseitigkeit, die ihre Kraft aus dem Jenseits, der Überwindung des Todes gewinnt, denn der Jesus, der so zu uns spricht, ist der auferstandene und erhöhte, über Leben und Tod stehende Herr.

 

Unser Glaube richtet uns zwar auf das Kommende aus, auf die Wiederkunft Jesu, aber bewähren und realisieren soll er sich in unserer Gegenwart.

Alle unsere Lebensabschnitte sollen durch diesen Glauben geprägt werden! Von der Kindheit bis ins hohe Alter, unsere Gemeinschaftsbeziehungen im privaten Bereich genauso wie unser gesellschaftliches Verhalten.

Jesus bringt das Leben der Neuen Welt. Und das teilt er uns schon jetzt mit. „Wer an mich glaubt, der wird leben“, der hat Leben in Fülle.

Durch ihn erfahren wir, daß Glaube nicht nur Gebote erfüllen bedeutet, obwohl das als erste Orientierung in unserem Leben durchaus seine Berechtigung hat. Zuallererst erfahren wir durch ihn, daß wir von Gott auch ohne Vorleistung geschätzt und angenommen sind. Und daß Gott der Geber des Lebens ist, ja daß er uns lebendig haben und erhalten will. In aller Freude, aber auch im Leiden. Anders bleiben wir lebenslänglich dem Tod verhaftet!

 

(B II. Die verschiedenen Ebenen eines Lebens aus dem Glauben an den Auferstandenen)

 

1. Leben aus dem Glauben an ihn, den Auferstandenen, heißt darum: Leben in Fülle haben. Leben, das den Tod nicht scheuen muß. Leben, das mit Krisen umgehen kann, Trauer bewältigt, ja sogar Zusammenbrüche übersteht, z. B. wenn Menschen, die uns nahe stehen, plötzlich und unerwartet sterben, das aber eben auch für Neubeginne und Neuaufbrüche dankbar ist. Die Auferweckung des Lazarus will das für uns sichtbar machen. Ihre Botschaft lautet:

Habe keine Angst! Jesus, der auferstandene Herr, wird eines Tages auch an Deinem Grab stehen bleiben und Dich herausrufen und Dich zu neuem Leben erwecken.“

Freilich muß er darum auch gebeten werden. Wenn Du ganz unten bist, besinnungslos, sterbend, so daß Du Dich nicht mehr selbst an Jesus um Hilfe wenden kannst, dann sei froh, wenn es andere für Dich tun, Kinder, Geschwister, Freunde, z. B. im Gebet am Krankenbett.

Deswegen bittet auch die Kirche immer für die Toten, daß Jesus sich ihrer annehmen und neues Leben schenken möge.

 

Wie lange Du auch im Grab Deiner Schuld und Angst liegst, wie sehr Du Dich nach Leben sehnst, dieser Jesus kann es Dir geben! Sogar sofort, aber Du mußt ihn bitten, wenn Du es kannst, auch wenn es Dir schwer fällt und die ersten Schritte aus Deinem Grab mehr gekrochen als gegangen sind.

"Nicht erst am Ende Deiner Tage beginnt das ewige Leben, sondern bereits von dem Zeitpunkt an, an dem die Einladung zum Glauben (an Christus ausgesprochen und) gehört wird." (Sattler, 163)

 

2. Auferstehung hat beim Evangelisten Johannes über die eschatologische Dimension der Totenauferstehung hinaus immer auch eine präsentische Komponente. Auf das gegenwärtige Auferstehen, das Neuwerden meines jetzigen Lebens kommt es ihm an. Hier wird nicht bloß auf die Zukunft verwiesen, das wird einmal so sein, wie Martha meint, sondern auch bei uns kann und soll die Auferstehung des Lazarus Gegenwart werden, wenn auch sicher in anderer Gestalt.

Denn das Reich Gottes bricht schon hier und jetzt in der Nachfolge Jesu, im Glauben an ihn, an.

Wahres, ewiges Leben ist auch im Diesseits und nicht erst im Jenseits möglich, freilich unter den Bedingungen einer im ganzen oft verkehrten Welt. Ein berühmter jüdischer Philosoph (Adorno) hat einmal gesagt, es gibt kein wahres Leben im falschen, wobei er meinte: unsere Welt mache das Leben von uns allen mehr oder weniger kaputt, es ist immer „beschädigtes Leben“. Krieg, Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, falsche Ideologien wie Rassenwahn, religiöser Wahn, lassen den Menschen nicht zu sich kommen, das alles hält das Leben nieder wie das Dornengestrüpp oder Gestein das Aufwachsen des Samens des Wortes Gottes auf dem Ackerboden verhindert.

 

Aber Jesus will sagen, das Gegenteil ist richtig: trotz aller Hemmnisse, trotz aller Schwächen, trotz allem Versagen ist echtes, gutes und wahres, ja unverlierbares Leben möglich: Das ist das Leben, das die Frucht des Glaubens ist.

Ich muß dabei nicht immer gegen den Strom schwimmen und das Gegenteil von dem tun, was andere für richtig halten.

Es gibt ja auch viel Gutes in unserer Welt: Solidarität mit den Schwachen, freiwillige Übernahme von Ehrenämtern, Mitarbeit in unseren Gemeinden, Helferdienste, sich kümmern um Kranke, Sterbenden beistehen.

Aber auch Widerstand leisten gegen Unmenschlichkeit und Menschenrechts-verletzungen oder wenigstens die Organisationen unterstützen, die sie untersuchen und anprangern, kann von uns gefordert sein. Und viele von uns sind da auch engagiert, wie jene, die an den gestrigen Ostermärschen teilgenommen haben.

 

3. Lazarus ist möglicherweise, wenn er schwer krank war, bald darauf wieder gestorben. Aber auch dann war seine Rückkehr ins Leben nicht umsonst. Denn so hat Jesus wenigstens zeigen können, daß der Tod, der uns mitten im Leben überfallen kann, eben nicht das letzte Wort in unserem Leben haben muß.

Heute ist es aber oft so, daß Menschen mit dieser Möglichkeit nicht einmal mehr im Traum rechnen. Sie haben mit dem Leben bereits abgeschlossen. Der Tod ist sein Abschluß. Vielfach sind daran die oft etwas kurzschlüssig und pauschal dargestellten Ergebnisse der Naturwissenschaften in der Öffentlichkeit schuld. Für den durchschnittlich gebildeten Menschen von heute ist Leben nichts anderes als funktionierende Biomasse, und wenn sie nicht mehr funktioniert, ist das Leben sinnlos geworden.

Darum entstehen um uns herum neuerdings – wie manche sagen - Todesfabriken, „Exit“ oder „Dignitas“ genannt, wollen uns „freischaffende Todesengel“, die ihre Dienste für teures Geld anbieten, wenn es soweit ist, vom Schrecken des Todes erlösen, sprich mit einer entsprechenden Pille auf angenehme Weise ins „Jenseits“ befördern. Das ist das falsche Leben, wie wir Christen dazu sagen müssen! Dagegen gilt es anzuleben! Aber dafür muß auch etwas getan werden, im Sinne einer Verbesserung der Palliativmedizin und der Verbesserung der Unterstützung der Angehörigen und Freunde bei der Versorgung und Begleitung ihrer schwer kranken Eltern und Großeltern, Männer und Frauen, Freunde und Freundinnen.

 

(C. Schlußgedanken)

 

Die Auferstehung Jesu hat im Glauben an ihn, den unter uns gegenwärtigen Herrn, den Tod entmächtigt, wo immer er spürbar ist.

Im Glauben an Jesus Christus empfangen wir Anteil an diesem neuen Leben! Taufe und Abendmahl stellen in jedem Gottesdienst die Verbindung zu ihm her. Darum ist es schön, wenn wir in der Osternacht auch taufen können, was heute leider nicht der Fall ist, aber einige sind unter uns, die vor einigen Jahren bzw. im vorletzten Jahr hier getauft wurden und diese Nacht immer auch als Erinnerung an ihre Taufe feierlich begehen. Die Taufe ist ja das Zeichen (Sakrament) des Beginns eines definitiv neuen und anderen Lebens, als es ein Großteil unserer Gesellschaft für vertretbar hält.

Das Untertauchen im Wasser bedeutet Tod des alten, das Herausholen aus dem Wasser das künftige Leben, als Leben in der Erinnerung an Tod und Auferstehung Jesu Christi.

Und das Abendmahl ist die Gemeinschaft, in der wir durch Brot und Wein (oder Traubensaft wie bei uns) mit Leib und Seele die Gegenwart Christi erfahren können.

So eignet sich jeder Christ das neue Leben, das Leben der Auferstehung an. Wir warten nicht erst darauf, daß es am Ende der Welt für alle sichtbar wird, sondern wir können es schon heute erfahren: In der Bereitschaft, dem Nächsten zu dienen, im Überwinden von Streit, in Gesten der Versöhnung, im Annehmen des Fremden, in der Unterstützung des Schwachen, im Bekenntnis des Glaubens gegenüber einer Welt des Unglaubens, die ihren Unglauben gern als aufgeklärt und fortschrittlich ausgibt und den Glauben von uns Christen in ihren Schriften als überholten Aberglauben abtut. Diesem Unglauben gilt es zu widerstehen, nicht nur durch ein überzeugendes Verhalten, sondern auch durch Argumente!

[Natürlich werden wir dabei lernen müssen, auch in unwegsamem Gelände aufrecht zu gehen und zu unserer Sache zu stehen. Die Kirche ist nicht nur der Ort des Gebets, sondern immer auch Planungsbüro und Schutzraum, wo Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit unserer Gemeinden sich gegenseitig durchdringen müssen, wenn ein zukunftsweisendes Konzept für die Zusammenarbeit aller entstehen soll. Egoistische Abkapselungen sollten uns zuwider sein, doch ein Gängelband zur Herstellung disziplinierter Unterordnung unter eine Zentrale darf sie auch nicht um uns legen wollen, wenn ein echtes Gemeinschaftswerk, wie es eine Regionalgemeinde sein muß, entstehen soll. Es genügt, wenn wir uns auf unseren Wegen an Jesus orientieren. Beichte und Bekenntnis eigenen Versagens im Gebet zu Gott werden uns immer wieder helfen, den richtigen Weg zueinander zu finden.]

Der auferstandene Christus ist das Haupt, wir die (evangelischen) Glieder seiner weltumspannenden Gemeinde in der Region Tiergarten. In ihm haben wir das ewige Leben, das den Tod nicht mehr zu fürchten braucht. In ihm können wir lernen, unser Leben so zu gestalten, daß alle Welt erkennen kann: „Es gibt in keinem andern Heil, es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden, als im Namen Jesu Christi von Nazareth!“ (vgl. Apg 4, 12.10)

 

Amen

Wolfgang Massalsky, 4. 4. 2015

( erweiterte Schriftfassung des Predigtentwurfs, eingestellt 15. 5. 15)

 

Zur homiletischen Erschließung und Bearbeitung des Predigttextes verweise ich vor allem auf die Predigtstudien 1996/97 zu Reihe I von Sattler und Goldbach, S. 161ff. Ihrer Betonung der Gegenwartsbedeutung der Osterbotschaft kann ich nur zustimmen. Aber die bloße Wiederaufnahme existentialtheologischer Positionen von Bultmann, Fuchs oder Marxsen kann nicht zum Ausdruck bringen, daß Ostern auf eine Zukunft vorgreift, die von keiner Gegenwart eingeholt werden kann.  Den von mir herangezogenen Satz von Ernst Troeltsch, daß das Jenseits die Kraft des Diesseits ist, hat besonders Wolfhart Pannenberg seinen Studierenden immer wieder eingeschärft. Ihm, der im vergangenen Jahr, einen Monat vor seinem 86. Geburtstag, nach langem Leiden verstorben ist, sei an dieser Stelle besonders gedankt, weil er sich in seiner Auferstehungstheologie mit dem gegenwärtigen Todesschlaf der Christenheit nicht abfinden wollte. In seiner Todesanzeige war Joh 11, 25 abgedruckt.