15. n. Tr.

15. Sonntag nach Trinitatis

1. Buch Mose Kapitel 2, Vers 4b - 9. 15 (Reihe VI)

(zum 8. 9. 2002)

Der Erd- und Gott-verbundene Mensch

Vom Menschen kann die Bibel auf sehr unterschiedliche Weise sprechen: Als ein Teil alles Lebendigen, ja als Krone der Schöpfung; als Ebenbild und Partner Gottes, wenig geringer als Gott selbst bzw. seine Engel; aber auch als eine vergängliche Blume, als ein Gebilde aus Staub oder als ein von Gottes Hand geformter und beatmeter Erdenkloß, wie es hier in V. 7 heißt.

Unser Text gehört zu dem älteren der beiden biblischen Schöpfungsberichte, dem sogenannten jahwistischen Schöpfungsbericht. Er unterscheidet sich vom jüngeren, dem eher naturwissenschaftlich interessierten Schöpfungsbericht der Priesterschrift, durch seine auf den Menschen und sein Verhalten zulaufende Perspektive. Beide Schöpfungsberichte muss man daher als einander ergänzend beurteilen.

Der ältere Bericht stellt uns den Menschen in seine bäuerliche Umwelt hinein. Auch wenn die Sträucher und das Kraut auf den Feldern noch nicht da waren, weil es auch noch keinen Regen gab, ist doch deutlich, was damit gesagt werden soll: Das alles bildet seine normale natürliche Umwelt und wird ihn auch eines Tages als sein normaler Lebens- und Arbeitsbereich umgeben. D.h. der Mensch wird uns hier als ein Mensch vom Lande, u. z. als Bauer vorgestellt. Der Mensch ist also kein Städter und die Stadt ist für ihn auch keine natürliche Umwelt! Der Hinweis auf das, was es noch nicht gab, macht noch etwas deutlich, nämlich in welcher Zeit der Mensch geschaffen wurde: Es war Trockenzeit. Nur das Grundwasser (V. 6, Luther übersetzt "Nebel") gab der Erde die notwendige Feuchte, so dass die zu einer Skulptur geformte und zusammengepresste Erde nicht gleich wieder zerfiel wie trockener Sandboden. Hätte es dagegen dauernd geregnet, wäre die Erde, von der der Mensch genommen wurde, sicher viel zu matschig gewesen, um dieses Gebilde durchlüften zu können. So gehören der feuchte, aber nicht zu nasse Lehmboden, die künstlerische Hand Gottes und dessen Atem zusammen, um den lebendigen Menschen zu schaffen. Allerdings ist Gottes Atem nicht bloß ein Luftzug, sondern seine belebende Schöpferkraft. Sie schenkt dem Menschen nicht nur das kreatürliche Leben,  sondern  verbindet sein ganzes Dasein  dauerhaft mit Gott. Leben bedeutet daher in der Bibel immer auch: die Verbindung mit Gott festhalten und seine Gebote beachten. Wenn diese Kraft nicht mehr da ist,  geht auch das Leben des Menschen zuende, jedenfalls das ihm von Gott gegebene Leben. Dann fällt er in sich zusammen, stirbt ab und wird wieder zu Erde.

Das zweite, was uns berichtet wird ist, dass Gott den auf diese Weise zum Leben gebrachten Menschen in einen von ihm irgendwo im "Osten" angelegten "Garten" im Lande Eden versetzte. Und nun lässt Gott dort wie in einem Obstgarten allerlei Bäume wachsen, auf denen schmackhafte Früchte gedeihen.

Allerdings hat es mit diesem Garten eine besondere Bewandtnis, denn in seiner Mitte befinden sich zwei besondere Bäume, nämlich der "Baum des Lebens" und der "Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen". Wozu sie da sind, ist nicht erkennbar. Eigentlich müsste man sich fragen, ob es überhaupt "Bäume" sind, zumal doch deren Früchte  (verständlicherweise) nicht zu seiner Nahrung da sind? Denn der Mensch soll ja von allen Bäumen  essen dürfen, nur von diesen beiden erlesenen Bäumen nicht (V. 16f.)!  Mitten im Garten Eden, der seine Lebensgrundlage bildete und den er wie es ausdrücklich heißt, "bauen und bewahren" (V. 15)  sollte, zwei Bäume, die dort offensichtlich gar nicht hinpaßten, weil ihre "Früchte"  nicht  zum Verzehr durch den Menschen bestimmt waren? Ob das gut geht?

Pfarrer Massalsky, 5. 9. 2002