Pfingsten

Zum AK am 16. 5. 24 (überarbeitet/ergänzt 9.6.24) 

I. Pfingsten als das Fest der Kirche: Chancen, Probleme und Konflikte

1. An Pfingsten tritt der Heilige Geist als der Geist, der die Gemeinde Jesu in alle Ewigkeit leiten soll, in Erscheinung. So wie Gottes Geist zuvor an Jesus gehandelt habe, indem er ihn vom Tode auferweckte, ebenso habe er die teilweise noch sehr stark von Passion und Tod Jesu erschütterte Jüngerschar ermutigt, den Weg Jesu fortzusetzen, wobei sie sich durch diesen Geist zu einer eigenverantwortlichen, weltweiten und damit über die engen Grenzen des Judentums hinausführenden Mission im Sinne Jesu aufgerufen sah.

2. Seitdem verkünden die Jünger Jesus Christus als ihren Herrn, der die Welt mit all ihren von Menschen verursachten Schrecken überwunden und erlöst habe und der will, daß die ganze Welt in der Kraft des von Gott ausgehenden Geistes erneuert wird. Allerdings feierte die Christenheit im Römischen Reich keine leichten Siege. Bis es soweit kam, daß sie im Westen unter Kaiser Konstantin eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft wurde, durchlief sie vom Ende des 1. bis zum Beginn des 4. Jht. viele Phasen z. T. blutigster Verfolgung. Und auch danach waren die Christen vor willkürlichen staatlichen Übergriffen keineswegs völlig sicher, und tatsächlich fanden in Syrien und Ägypten noch solche Übergriffe statt. Aber das waren lediglich Rückfälle. Die Uhr der Zeit ließ sich dadurch nicht mehr zurückdrehen. Auch dem Versuch des Kaisers Julian "Apostata", die alte römische Religion staatlicherseits wieder verbindlich einzuführen und die Christen aus ihren politischen Ämtern zu entlassen, war kein dauerhafter Erfolg beschieden, nicht nur wegen seines baldigen Todes. Die grundsätzliche Anerkennung der christlichen Religion war nicht mehr rückgängig zu machen. Die Christen selbst hatten durch ihren Mut und ihre Opferbereitschaft bei der altgläubigen Bevölkerung immer mehr an Ansehen gewonnen, zumal sie nicht für einen politischen Umsturz kämpften, sondern für ein von Grund auf verändertes Religionsverständnis, ein Leben im Zeichen des gekreuzigten Christus. Religion und Kult sollten nicht mehr primär der Stützung der politischen Macht des Gesamtstaates und damit dem Staatswohl dienen, sondern allen Menschen im Glauben einen persönlichen Zugang zu Gott eröffnen. Das ist ja auch die eigentliche Mission der Kirche. Indem sie zwischen dem (vergemeinschafteten) Bürger und dem Staat mit seinen Ordnungsfunktionen als Vermittlungsinstanz trat, bildete sich in ihr ein bisher unbekannter Raum der Freiheit (und des von allen Zwängen entlasteten Gewissens) aus, die sie allerdings in ihren eigenen Reihen oft genug selbst nicht ertrug und durch Hierarchie sowie kirchliche Gesetze zu kanalisieren suchte.    

3. Im Sog dieser Verkündigung hat die im Laufe der Zeit gesellschaftlich immer stärker werdende Kirche auch politisch große Leistungen in der Umgestaltung des im Niedergang begriffenen Römischen Reiches vollbracht, wozu vor allem die Integration von vielen Neuankömmlingen in Europa (Germanen und andere Fremdvölker aus Osteuropa und Asien) durch eine passende Konversions-, Ansiedlungs- und Betreuungspolitik gehörte, – aber leider auch schwere Sünden begangen, indem sie glaubte, als Kirche im Besitz des Geistes Gottes zu sein und als solche sich Dinge erlauben zu können, die ihrem Wesen widersprechen, insofern sie eine dem Geist Gottes dienende Funktion hat und nicht zur Herrschaft über ihn gesetzt ist. So hat sie sich leider immer wieder angemaßt, über die ihr gesetzten Grenzen hinweggehend, sich als den weltlichen Staatsorganen (von Gott) übergeordnete Gegenmacht* zu präsentieren und auf diese Weise sowohl den Staat mehr als einmal herauszufordern, als auch in der (auf Jesus zurückblickenden) Kirche selbst tiefgreifende Krisen heraufzubeschwören.

Anm.* Wie dieses Problem des Verhältnisses von Kirche und Staat auf Dauer einvernehmlich gelöst werden könnte, damit beide Seiten ihren speziellen Auftrag auf einer gesicherten Rechtsbasis erfüllen können, war in der nachkonstantinischen Gesellschaft noch unklar, zumal beide Institutionen in vielerlei Hinsicht organisatorisch eng miteinander verflochten waren. Allerdings war der Staat ihr gegenüber jetzt grundsätzlich eher positiv eingestellt, anders als in der Anfangszeit der Kirche. Die Kirche mußte nun umgekehrt darauf achten, nicht zum Instrument staatlichen Handelns gemacht zu werden.

4. Freilich ging es der Kirche dabei nicht nur um die Ausdehnung ihrer eigenen (weltlichen) Macht im oder gegenüber dem Staat, sondern zunächst vor allem um die Einweisung und Eingewöhnung staatlicher Instanzen, Mächte und Ordnungen in die Aufgaben einer zivilen, wenn auch christlich inspirierten Administration. Das hat aber zeitweilig die eindeutige Form staatlicher Bevormundung durch kirchliche Oberhirten angenommen und schließlich immer häufiger den gesellschaftlichen Frieden belastet und den Aufbau eigenständiger (sozusagen säkularer) staatlicher Strukturen erschwert.

5. Letztlich hat diese permanente Gefährdung der römischen Kirche durch Selbstüberhebung über die weltlichen Herrscher und Überschreitung ihres Auftrags auch zur Reformation geführt, wenn man diese als den Versuch ihrer Erneuerung aus dem Worte Gottes verstehen darf, wobei sich Kirche wieder mehr auf schriftgemäße Verkündigung, Volksmission und Friedensarbeit besinnen sollte. Daß daraus später – die Ursünde des Protestantismus – eine staatskirchliche Unterwürfigkeit unter die Autorität der Fürsten, ja sogar eine gewisse Art von Staatshörigkeit1 werden konnte, wobei Gewissensfragen oft als bloße Rechtsfragen beurteilt wurden und nur wenig Unterstützung bei kirchlichen Stellen fanden, steht auf einem anderen Blatt.

6. Pfingsten wird daher im Bereich der reformatorischen Kirchen als Fest der Kirchengründung aus dem biblisch-reinen (und nicht katholisch-eigenmächtig interpretierten) Worte Gottes gefeiert, obwohl es ja von Anfang an so etwas wie Kirche** gegeben hat, nämlich bei den Jüngern, die Jesus in seine Nachfolge berufen hat. Allerdings war ihr Erwartungshorizont nicht eine sich selbst verabsolutierende Kirche, sondern das Reich Gottes. In dieser Gemeinschaft gab es die später auftretenden Konflikte zwischen Staat und Kirche noch nicht. Dafür war sie als quasi illegaler, zumindest lästiger Seitentrieb des Judentums (obwohl der Reich-Gottes-Gedanke ursprünglich aus ihm stammte) von diesem selbst zuerst abgeschnitten und schließlich in einem Akt der Selbstreinigung mit Stumpf und Stiel ganz ausgerissen worden.

Anm.** wobei die sich formierende Kirche ekklesiologisch offenbar am Modell Israels mit seinen zwölf Stämmen orientiert war. Wenn sie damit Israel als heilsgeschichtlich überholt ansah und durch sich ersetzen wollte, so war dies zweifellos ein falscher Ansatz. Denn 1. bleibt die innere Verbindung von Kirche oder vielmehr Christentum und Israel schon wegen der Bezogenheit des NT auf das AT für immer bestehen. Und 2. glauben Religionen immer durch eine besondere Nähe zu Gott ausgezeichnet zu sein und dadurch einen Wahrheitsanspruch erheben zu können. Und das gilt natürlich auch für das damalige (und heutige) Judentum. Dieser von ihm wie von jeder anderen Religion erhobene Wahrheitsanspruch sichert ihm bzw. ihr einen legitimen Platz in der Ökumene der Religionen (und den sollte man ihnen auch nicht von außen streitig machen). Das ändert nichts daran, daß es auch immer eine streitige Auseinandersetzung zwischen den Religionen selbst um das Recht dieses Wahrheitsanspruchs gibt und geben wird.  

7. Erst in dieser Phase dürfte die eigentliche Kirchengründung erfolgt sein, auch wenn die Apostelgeschichte die Kirchengründung sofort nach der Himmelfahrt Jesu ansetzt. Das feierliche Zeichen dafür war für die spätere Kirche (in der Sicht des Evangelisten Lukas) die Geistausgießung, nämlich die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Gemeinschaft der um Matthias ergänzten Jüngerschar, nachdem Judas sich selbst aus ihr ausgeschlossen hatte. Die Gegenwart des Geistes wurde symbolisiert durch ein gewaltiges Brausen vom Himmel her (Apg 2). Doch der Gründungsakt der Kirche, wie er sich den Jüngern damals eingeprägt habe, macht noch eine tiefere Dimension in ihr erkennbar: Kirche als das Leuchtfeuer einer durch Gottes Geist vereinten Menschheit. Auf diese Geisttaufe kommt es an. Ohne sie gibt es keine Kirche. Aber auch kein persönliches Christsein. Sie will das weltweit sichtbare Zeichen dafür sein, daß die Gegensätze der Völker, wie sie seit dem Einsturz des babylonischen Turms bestehen, prinzipiell überwindbar sind.

 

II. Verschiedene Aspekte biblischer Geisterfahrungen

Schöpferischer Geist

Prophetische Zukunftsverheißungen

Charismatische (Zungen-) Rede

Vielfalt der Gaben statt Pastoren-Kirche

 

III. Theologische Grundpositionen des Epheserbriefes

Verfasser ist wahrscheinlich ein Paulusschüler

Kein Brief, sondern ein theologischer Traktat

Partienweise Abhängigkeit vom Kolosserbrief

Neues Verhältnis von Christologie und Ekklesiologie gegenüber Paulus

Zurücktreten der eschatologischen Naherwartung

 

IV. Zu den Predigt-Texten, die Pfingsten und den Heiligen Geist als Thema behandeln 2

Für uns (AK) kommen heute lediglich drei Texte infrage: Eph 4, 11-16 (15) und Eph 1, 3-14 (bzw. 1, 3a. 4a.13-19 nach katholischer Ordnung) sowie Johannes 16,5-15, den Olaf am letzten Sonntag behandelt hat. Andere wichtige Texte müssen hier zunächst beiseite bleiben, da wir uns hier nur mit einigen Grundzügen von Pfingsten anhand dieser Texte beschäftigen können.

Was ist ihre Zielsetzung, worauf wollen sie uns aufmerksam machen?

 

1. Stichworte zur Exegese von Eph 4, 1-16:

a) die Bedeutung der Einheit unter den Christen und Beschreibung dieser Einheit durch die Vorstellung eines Organismus und des Herrschers als Haupt des politischen Gemeinwesens

b) die Bedeutung von Glaube als geistig-geistliche Voraussetzung und die (Wasser-) Taufe als Eintrittsbillet und Akt der Zugehörigkeit zu diesem neuen Gemeinschaftskörper

c) die besonderen Gaben jedes einzelnen

d) die Kirche ist „Leib Christi“, aber diese Gleichung ist nicht umkehrbar: nicht die Kirche eignet sich Christus an, verkörpert Christus, vielmehr ist und bleibt Christus über seinen Tod hinaus gleichsam der Dirigent dieses Orchesters der Vielen, wie immer man sich das vorzustellen hat ...

e) Wachstum zum Erwachsenwerden und zur Selbstverantwortung, dabei in Liebe der Wahrheit verpflichtet bleiben, so daß einer dem andern zur Gewinnung des Heils in Christus verhilft

 

2. Stichworte zur Exegese von Eph 1, 3-14:

a) eine Art Hymnus, wie aufgebaut, was ist sein Thema? Worin besteht das Heil der Christen?

b) Hätte Jesus dieses sagen können? Erwählung durch Gott in Christus, was verlangt dies von uns?

 

3. Stichworte zur Exegese von Joh 16, 5-15

a) Das Gleichnis vom Weinstock und den Reben als Zeichen der engen Zusammengehörigkeit von Jesus und der Gemeinde; es kommt also auf die Christusgemeinschaft an, damit wir Frucht bringen können

b) Die Worte Jesu sollen in seiner Gemeinde umgehen und beherzigt werden ...

c) Die Verherrlichung des Vaters geschieht durch die Gemeinschaft mit Jesus und das gemeinsame fruchtbare Leben aus der Kraft des Geistes

d) Denn das ist das Gebot Jesu, daß seine  Anhänger ihm und einander in Liebe verbunden bleiben

e) Die Gemeinschaft, die Jesus stiftet, soll nicht mehr durch das Herr-Knecht-Verhältnis ausgedrückt werden, sondern eine ewige Freundschaft begründen, Freundschaft zwischen Jesus und seinen geistlichen Brüdern und Mitstreitern, die auch das Lebens-Opfer einschließen kann ...  

 

4. Der Skopus dieser biblischen Texte

 

V. Worauf muß es uns als Christen heute besonders ankommen?

Die heutige Situation der Kirche ist alarmierend und bedrängend

Worin besteht sie? Versagen der Leitung? Schönreden der realen Probleme? Kosmetische Korrekturen an der Außenfassade der Kirche, ohne den Verfall des Binnenraums zu beachten? 

Wozu brauchen wir die Kirche? Und ist die jetzige in dieser Verfassung dazu geeignet, Kirchesein positiv auszustrahlen? Was ist die Funktion der Predigt? Wo bleibt das Abendmahl? Wie lieblos und phantasielos wird es oft "gefeiert"! 

Diagnosen: Geschäftsführertätigkeiten ohne spirituelle Kraft und geistige Auferbauung überwiegen ... Die Predigt als Erweis spiritueller Kraft genügt nicht, wenn die Gemeinschaft fehlt ... Die Spannungen und Gegensätze in den Gemeinden durch das Eindringen einer Minderheitenrechte- und Gleichstellungs-Ideologie lassen vielfach den Gemeinschaftsgeist verkümmern und den Geist der Polarisierung überhandnehmen ... 

Gemeinsame Überlegungen, wo sehen wir sonst noch Defizite? Was können wir dagegen tun?

Aufbrüche in unseren Gemeinden, lassen sich positive Entwicklungen erkennen? Beispiele …

W.M.

 

1 So kam die Union zwischen evangelisch-lutherischem Christentum und evangelisch-reformierten Gemeinden in Preußen 1817 nicht ohne die entsprechende „Nachhilfe“ der Staatsmacht zustande. Was heute so harmlos-einmütig „Kirche der Union“ heißt, entsprang überwiegend konfessionspolitischen Interessen des preußischen Staates, dem an einer starken protestantischen Einheitskirche gelegen war.

2 dazu siehe die Predigt-Text-Reihen (von Pfingstsonntag an bis Trinitatis)