14. n. Tr.

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des 14. Sonntags nach Trinitatis

1. Thessalonicher Kapitel 5, Verse 14-24 (Reihe VI)

(am 1. 9. 2002)

Der Gott des Friedens sei unter euch erfahrbar!

Ermahnungen hören wir alle nicht gerne. Aber gelegentlich muss es schon sein, dass wir uns deutlich die Meinung sagen. Es gibt heute unter uns so viel Blabla am Telefon und am Mittagstisch oder beim Fernsehen, dass man sich manchmal fragt, wann wir überhaupt noch ernsthaft miteinander reden können. Gibt es überhaupt noch etwas, was uns gemeinsam beschäftigt, was uns verbindet und ins Gespräch bringt, was mehr als oberflächliches Gerede ist? Auf jeden Fall ist es notwendig, dass wir immer wieder versuchen herauszufinden, wo der andere/die andere steht, welche Probleme er/sie hat, worunter er/sie leidet.

Wenn wir Angst vor solchen Auseinandersetzungen haben, dann entgehen uns auch meist die Entwicklungen und Veränderungen in unseren Beziehungen, die sich manchmal geradezu dramatisch verschlechtern können, ohne dass wir es mitbekommen oder wahrhaben wollen. Manchmal kann sogar ein offen ausgetragener Streit mehr zum Frieden beitragen als um des lieben Friedens willen alles still zu ertragen, was mir nicht passt. Unsere Devise sollte die sein: Besser streiten als schweigend um alles herumreden, bis man sich nichts mehr zu sagen hat.

Christen reden offen miteinander. D.h. wir bringen zur Sprache, was uns bedrückt, aber auch das, was uns erfreut. Aber wir lassen auch mit uns reden. Wir sollen uns gegenseitig trösten können, aber auch ermahnen, wenn es dazu Anlass gibt.

Denn Christen hören aufeinander und sie nehmen Rat voneinander an. Sie lassen sich, wenn es notwendig ist auch ermahnen, damit die Gemeinschaft nicht Schaden leidet, die sie untereinander und gemeinsam mit Christus verbindet. Wobei es selbstverständlich ist, dass Ermahnungen nicht nur gehört und ernst genommen werden wollen, sondern auch befolgt werden, wenn sie berechtigt sind. So können Missverständnisse ausgeräumt werden, die das Miteinander belasten. So können im privaten Bereich Risse, die das Auseinanderleben beschleunigen, verhindert oder wieder gekittet und in der Gemeinde Spaltungstendenzen behoben werden, wenn welche auftreten. Aber nichts tun, so tun, als wenn sich alles von selbst erledigt oder als ob man sowieso nichts mehr tun kann, ist die falsche Einstellung. Nur wenn wir uns diese Mühe machen, haben wir noch eine Chance, unser Zusammen-Leben zu verändern und zu verbessern. So können unsere Durchhänger im Miteinander, ja sogar unsere Versagens- und Überforderungsängste, unsere (Nach-)Lässigkeiten in Glaubensfragen und viele andere Lebens-Ängste überwunden werden.

In diesem Sinne weist auch der Apostel Paulus zum Schluss seines ersten Briefes an die Thessalonicher die dortigen Brüder an, die "Unordentlichen zurechtzuweisen und die Kleinmütigen zu trösten", aber auch "die Schwachen zu tragen" und es gleichzeitig aber auch nicht an "Geduld" fehlen zu lassen (V. 14). Besonders soll darauf geachtet werden, dass alle gut miteinander umgehen (V. 15).

In der Tat, es muss nicht sein, dass eine(r) wortlos aus unserer Gemeinschaft weggeht, ohne dass wir wissen warum oder für sich alle Rechte beansprucht, aber keine Pflichten übernimmt.

Das Entscheidende aber kommt erst: Trotz all dieser immer beherzigenswerten Ermahnungen sich einen guten und intensiven Gemeinschaftsgeist zu bewahren, ist Paulus das Positive viel wichtiger: Eine gute Gemeinschaft hat immer eine Mitte, aus der heraus sie lebt oder auch ein Ziel, das sie zu erreichen strebt. Das ist für uns der Glaube an Jesus Christus, der durch Kreuz und Auferstehung seiner Gemeinde gegenwärtig ist. Darum schreibt der Apostel, was er für noch wichtiger hält als Sensibilität und Rücksichtnahme im Gemeindeleben (so wichtig sie sind!), das ist ein offener, herzlicher und fröhlicher Glaube und eine entsprechende Lebenshaltung (V. 16f.). Vor allem eins ruft er den Thessalonichern zum Abschied zu: Bleibt "dankbar in allen Dingen" (18), was er sogar als "Gottes Wille in Jesus Christus für euch" bezeichnet. Unter dieser Dankbarkeit ist freilich etwas anderes als artige Dienerhaftigkeit zu verstehen, wie man sie früher vielleicht von Untergebenen (und kleinen Jungs) erwartet hat und die heute niemand mehr praktiziert - auch in der Kirche nicht. Die Dankbarkeit der Christen, wie sie auch in der Eucharistiefeier zum Ausdruck kommt, richtet sich auf Gott und ist Ausdruck der Dankbarkeit für unser neues, aus Glauben und Geist geborenes Leben. Solche Dankbarkeit schließt das Wissen ein, dass unser Leben ein Geschenk Gottes ist; dass es ein Geschenk ist, dass wir jeden Tag leben und arbeiten dürfen; dass es ein Geschenk seiner Liebe ist, dass wir trotz Schuld und Versagen vor den Mitmenschen und vor Gott, von ihm in Ewigkeit gehalten und gesegnet sind. In dieser Erfahrung wurzelt unsere Dankbarkeit und im Gottesdienst kommt sie im Dankgebet des Abendmahls auch regelmäßig zum Ausdruck. Wo diese Dankbarkeit unser Leben bestimmt, da können unsere täglichen Umgangsformen auch in der Gemeinde nur gewinnen.

Darum heißt es auch V. 19f., dass wir den Geist nicht "dämpfen" sollen und die "prophetische Rede" nicht verachten dürfen, denn sie verbindet uns auf eine an Gottes Wort orientierte Weise mit seinem Geist.

Was immer geschieht, prüft alles und das Gute behaltet (21). Darum wird noch einmal eingeschärft, meidet das Böse, in welcher Gestalt es auch auftreten mag! Zuletzt wird in Form eines Segens der Gemeinde alles Gute gewünscht von dem Gott des Friedens, der uns in Jesus Christus begegnet ist und der uns heilige in allen Dimensionen unseres Menschseins, uns an Geist, Seele und Leib "unversehrt" sein lasse, so dass wir der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus "untadelig" entgegengehen können. (23)

Aber auch das ist nicht nur als eine Aufforderung zur ständigen Arbeit an sich selbst zu verstehen, sondern Gott selbst, der uns mit seinem Wort anspricht und ruft, wird auch dafür sorgen, dass wir vollbringen (V. 24), was wir uns vornehmen, damit die Gemeinschaft neu erbaut wird.

Pfarrer Massalsky, 29. 8. 2002