1. Petrus 5, 5b-11
Zum Verständnis von 1. Petr. 5, 5b-11.
Predigttext am 15. Stg. n. Tr.
1. Lesen des Textes, was steht da. Wie können wir ihn verstehen?
V.5b: Das Motto: der Gegensatz von Demütigen und Hochmütigen, angeberisch hoch und bescheiden klein (niedrig);
Gilt das für jede Zeit?
Ist das bereits ein Hinweis auf die positive Bedeutung des Leidens um Christi willen?
V.6: Demütigen → Erhöhen: Wenn wir uns vor Gott demütigen, werden wir von Gott erhöht werden.
Stimmt das? Wenn wir uns in einer großen Gefahr befinden, sollen wir uns dann dem übermächtigen Feind einfach unterwerfen? Ist dem „Teufel“ nicht Widerstand zu leisten?
V.7: Wir sollen/dürfen unsere Sorgen abschütteln („abwerfen“) → denn er, Gott, sorgt für uns/euch ...
V.8a: Aufforderung zu Nüchternheit / Wachsamkeit („Brüder, seid nüchtern und wachet“ - beliebt bei Mönchen und in liturgischen Nachtgebeten)
V.8b: Warum? Unser Gegner, der Teufel, ist wie ein „brüllender Löwe“, der umherzieht (und uns jagt). Oder ist er nur ein „brüllender“ Löwe, der uns nichts mehr antun kann? Nein, es ist klar: Seine Absicht ist es, uns zu „verschlingen“. Eben deswegen sollen wir ja wachsam sein! Es kann aber auch sein, daß der "brüllende Löwe" nur noch als Bild für eine ganz unbekannte Gefahr verstanden wurde. Das würde ja zum Teufel passen.
Aber jagt er uns mit diesem Bild wirklich Angst ein ...
... wenn es dem Verfasser nur um eine stilistische Dramatisierung unserer Situation geht ? Bellende Hunde beißen nicht, sagt das Sprichwort. Gilt das nicht in abgewandelter Form auch hier? Die wirkliche Gefahr sind doch eher still und leise durch das Gebüsch schleichende Löwen und nicht laut brüllende! (Offenbar ist dieses altbekannte Bild zu schön, um es hier nicht anzuwenden, obwohl es eigentlich nicht passend ist, denn brüllende Löwen machen ja mögliche Opfertiere auf ihren Feind aufmerksam, so daß sie hoffentlich noch rechtzeitig das Weite suchen können.) In der Tat, der Teufel ist viel gefährlicher als ein brüllender Löwe, denn er wandert unerkannt unter uns mit ...
Und daß wir Menschen im allgemeinen nicht auf dem Speiseplan eines Löwen in der Savanne stehen, weiß das der Verfasser etwa nicht? Denn ein Löwe jagt ja überwiegend verirrte oder alte oder kranke Tiere aus vorüberziehenden Herden, nicht Menschen, es sei denn sie machen Jagd auf ihn.
V.9a: Gegen diesen (wirklichen) Feind ist Widerstand zu leisten im/durch Glauben!
V.9b: Ihr „wißt“, dieselben Leiden (wie sie im Tierreich die Regel sind) sind auch eurer Bruderschaft in der Welt auferlegt (von wem?).
Die Gemeinde Jesu wird hier als „Bruderschaft“ bezeichnet. Heute würde man diesen Begriff auf eine straff organisierte Gemeinschaft mit entsprechenden Regeln anwenden. War diese Verwandlung der Gemeinde Jesu in eine der Welt* gegenüberstehende Kampfgemeinschaft bereits flächendeckend erfolgt oder nur in Einzelfällen eingetreten? Wir wissen es leider nicht. Das hängt jedenfalls von der Zeit und von der missionarischen Ausrichtung der Arbeit der Gemeinden, aber auch von den Regionen im Römischen Reich ab, in denen wir uns befinden.
* wenn man dabei an die ganze Welt zu denken hat, dann soll also gesagt sein: denkt nicht, nur euch, euch allein, träfe dieses Unglück...
Was war das für eine Situation, in der diese alarmierende Warnung ausgesprochen wurde? Man könnte an eine Endzeit-Situation denken. Aber von Endzeit ist nicht die Rede! Nur daß die Gemeinde Jesu einer schweren Zeit entgegengeht.
Noch einmal: Was ist das für eine Situation? Von einer gefährlichen Macht bedroht zu sein, gegen die man sich nicht schützen und der man nicht ausweichen kann und die der Gemeinde Jesu immer näher kommt. Was passiert da konkret? Warum reagiert die Umwelt so feindlich auf sie? Sie tut doch offensichtlich niemandem etwas. Was macht sie so verhaßt unter ihren Nachbarn? Da keine Feinde benannt werden, kann man nur vermuten, um welche Spannungen und Konflikte es sich handelt: Einerseits Verfolgungen durch Juden, die die Spaltung ihrer Gemeinde nicht hinnehmen wollen, jedenfalls auf die abtrünnigen "Christen" nicht gut zu sprechen sind. Andererseits Spannungen zwischen ihnen und Heiden, die beide, Juden und Christen, nicht leiden können und mit ihren Konflikten nichts zu tun haben wollen. Das ist ganz gewiß keine angenehme Situation, von allen Seiten Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Ist es daher nicht eine zwingend notwendige Strategie für die christlichen Gemeinden alles zu tun, um der Umwelt möglichst keinen Grund zur Anfeindung und Ausgrenzung zu bieten? Also Anpassung und Etragen von Anfeindungen bis zur Schmerzgrenze; ist es das was der Verfasser dieses Briefes den dortigen Christen mit diesen Worten über Demut und Hochmut empfiehlt? Stellt euch nicht stolz (und überheblich) als die Besseren dar! Der Christusglaube will nicht nur verkündigt, sondern auch gelebt und wenn es sein muß erlitten werden! Kann diese Situation irgendwann auch bei uns wiederkehren, und wie gehen wir damit um, daß sich so viele Menschen von ihrer alten Gemeinde abkehren? Ihnen nachlaufen und nachtrauern? Ihnen mit Gottes Gericht drohen? Oder sind einfach unsere kirchlichen Organisations- und Gottesdienstformen zu wenig zeit- und zukunftsgemäß, daß sie mit dieser altmodischen und sie wenig ansprechenden Kirche nichts mehr zu tun haben wollen? Christen müssen deswegen keine Außenseiter sein, die sich von der großen Masse der Durchschnittsbürger abkapseln, aber sich von ihnen unterscheiden sollen sie sich schon.
Geht es also um die generelle Stellung der Gemeinde Jesu gegenüber der Welt, oder haben wir es nur mit einer speziellen, vielleicht schon bald vorübergehenden Belastung zu tun?
V.10: Am Schluß eine Ermutigung für die verängstigte Gemeinde Jesu
„Der Gott aller Gnade“. Gott ist der Gemeinde Jesu, wenn sie sich vor ihm demütigt, näher als der Teufel, der sie wie ein brüllender Löwe jagt. Wie spüren wir das?
Durch unsere Berufung zur „ewigen Herrlichkeit“ in Christus. Denn es ist uns nur eine kurze Zeit des Leidens verordnet, die gegenüber der verheißenen Herrlichkeit eigentlich nicht zählt, obwohl das faktische Leiden eben doch das freudige Leben meistens ersterben läßt. Wie geschieht es, daß Gott uns in Christus aus solchen Situationen der Angst und Verzagtheit befreit? Offenbar werden wir durch ihn in einen Prozeß der Erhöhung (vgl. V.6) und Befreiung eingebunden, wie uns mit einer Reihe von Verben versichert wird: Gott wird uns a) zubereiten, b) festigen, c) stärken, d) gründen. Was ist darunter zu verstehen?
Es handelt sich vermutlich um eine charakterliche Stärkung unserer angefochtenen Moral (Mentalität), um in den vor uns liegenden Krisen zu bestehen:
Beim Zubereiten könnte man aber auch an eine Art Gabenbereitung denken wie beim Abendmahl: das Abendmahl verstanden als der Akt unserer Zubereitung für das Leben in einer kritischen Umwelt. Dadurch werden wir gefestigt in unserem oft (ver)unsicher(t)en Glauben (vor allem wegen der Zweifel, die uns immer wieder beschleichen, heute meistens dann, wenn wir an die Zukunft des oft verlorenen Häufleins der Sonntagsgottesdienstbesucher denken). Die seelische Stärkung, deren wir bedürfen, finden wir in der Mahlgemeinschaft, in der Kraft von Brot und Wein, wodurch wir einander in der Verbundenheit mit dem Herrn als Brüder und Schwestern annehmen. Zuletzt ist von Gründung die Rede, was möglicherweise andeutet, daß sich in diesen Akten die immer neue Konstituierung der Gemeinde vollzieht.
Das Abendmahl also als Gründungsakt und -akte (!) der Gemeinde als Kultraum.
Diese Deutung hat nur den einen Nachteil, daß hier nicht ausdrücklich vom Abendmahl/communio die Rede ist, sondern daß es hier nur aus den Verben erschlossen ist. Aber worauf sollen diese Verben sonst hindeuten?
Natürlich können auch allgemein ethische Vorgänge gemeint sein, bes. wenn man an die Stärkung der schwachen und oft hilflosen Gemeinden denkt! Aber womit kann man sie denn stärken, wenn nicht durch die Erfahrung der Gegenwart Christi? (Durch schützende Gesetze des Römischen Staates? Darauf konnte man noch Jahrhunderte warten! Am ehesten noch durch tröstende Seelsorge in den Gemeinden oder besondere Hilfen seitens vermögender römischer Bürger ... )
So kann übrigens langfristig die Eschatologie der frühen Gemeinde, also das Warten auf das hoffentlich bald stattfindende Kommen Christi zum Endgericht, durch Ekklesiologie, die Erfahrung der (institutionellen) Gegenwart Christi in der Kirche, ersetzt werden.
V.11: Gott kann das alles, was diese Welt in Unordnung gebracht hat, wieder ordnen und richten.
ER hat die Macht, auch in schier ausweglosen Situationen zu helfen, wenn wir uns auf ihn besinnen. Dieser liturgisch anmutende Schlußvers klingt wie ein Gebetsschluß, besonders durch das „Amen“ erkennbar.
2. Weitere biblische Texte zum Gedankenkreis dieses Abschnittes
(1) Hiob 1, 21b.; 2, 10; Jak 4, 10; Luk 14,11; 18,14b (Demütigen/Erniedrigen/Erhöhen)
(2) andere Stellen in 1. Petr.:1,13; 4,7; Mt 26,41; 1.Thess 5,6; Lk 12,37a (zu Nüchternheit und Wachsamkeit)
(3) Ps 22,14; 2. Tim 4,17 („brüllender Löwe / Rache des Löwen“)
(4) Eph 4,27; 6,11; 1. Tim 3,6f. 10-13; Hebr 13, 21a; Jak 4,7b; Mt 6,25-34; Ps 55,23 (was man braucht, um nicht zur Beute des Teufels/Versuchers zu werden/Ausrüstung zur Abwehr gegen das Böse / keine Sorge)
(5) Hiob 1, 7-12 (Die Erlaubnis Satans zur Versuchung Hiobs)
(6) Phil 1, 27-30; 2. Thess 2, 17; 3,3; Kol 1, 23; Eph 3, 17; Jak 4, 11a; Gal 6,9 (wie sich christliche Bruderschaft bei uns/für uns positiv auswirken soll)
(7) Lk 12, 37; Mt 24, 22; Offbg. 3,19; Phil 1,6; Mt 5,5; 23,12; Luk 1,52; 1,3-6; 12,37b
(8) Hebr. 13, 21b (Schlußgebet/Amen)
3. Predigtansätze und Interpretationsversuche
(1) H. Gunkel (SNT III, 1917, 290f. zum Text): Für Gunkel (eigentlich Alttestamentler) geht es in diesem Abschnitt um Verfolgung und Abfall vom Glauben. „Zum Schluß nochmals einige Mahnungen samt einem Segensspruch … die Leiden… man sieht, wie sehr ihm (d.h. dem Verfasser) gerade dieses Thema am Herzen liegt … die Verfolgungen (sind) Gottes Wille ...“ Interessanterweise interpretiert G. „ewige Herrlichkeit“ als „künftige Herrlichkeit“, d.h. „Wenn die Zeit da ist, so wird er die, die sich erniedrigt haben, erhöhen und den Demütigen Ehre geben.“ Grund zur Sorge gibt es eigentlich nicht, denn „Gott trägt euer Geschick auf seinem Herzen“.
(2) Johannes Schneider (NTD 10, 1961, 96f.): „Von der ethischen Forderung geht der Verfasser zur seelsorgerischen Mahnung über, um die Zuversicht der Leser zu stärken und sie zur Standhaftigkeit in der jetzt über sie hereingebrochenen Verfolgung zu ermuntern.“ „Die einzige Abwehr (gegen das hinter allem persönlichen und gemeindlichen Elend steckende Treiben des Teufels) ist die Festigkeit im Glauben.“
(3) Wilhelm Stählin (Predigthilfen II. Episteln, 1962, 417f.): „In diesen (vor-)letzten Versen des Briefes wird besonders offenbar, was schon in manchen Andeutungen, besonders aber in den wiederholten Hinweisen auf das Leiden Christi, spürbar geworden war, daß sich dieser Brief an Christen wendet, die angefochten werden von dem Zwiespalt zwischen dem in der Taufe neugeschenkten Leben (1,3; 2,2) und den Bedrängnissen und Leiden, denen sie nun erst recht ausgesetzt sind.“
(4a) Ludwig Wächter ("Gottes Hand ist bereit, uns aufzufangen". Predigten aus fünf Jahrzehnten, hrsg. Hans-Joachim Beeskow, 2011) schreibt in seiner Predigt, gehalten 1962 in Rostock, damals DDR, zu unserem Text (S. 86-90) etwas pauschal: "Was ist nun der Kern davon, worauf kommt es denn für dich und mich in unserer Zeit und an unserem Ort besonders an, so würde ich antworten: >>Haltet fest an der Demut.<< Denn diese Mahnung trifft uns heute so wie die Menschen, denen damals dieser Brief geschrieben wurde, ja, ich meine, wir brauchen sie noch notwendiger. Diese Mahnung gibt uns Weisung für unser Leben und für unser Verhältnis zueinander in unserer Gemeinde." (86) Die von uns verlangte Demut oder Bescheidenheit dürfe jedoch nicht als "Unterwürfigkeit" oder gar als ein "Wegwerfen der Selbstachtung", als ein "Mangel an Charakterstärke" mißverstanden werden (87). Und sie ist auch nicht mit "Schwäche" oder "Feigheit" zu verwechseln (87). Was ist dann "Demut"? "Demut gründet in der Liebe, mit der Gott uns liebt." (87) Also eine ausschließlich kirchliche Verhaltensweise zur Regelung der Binnenverhältnisse unter Christen? Oder besitzt sie wie jede im Christus-Glauben begründete Verhaltensweise und Lebensform nicht auch eine politische Außenseite, u.z. nicht nur eine defensive?
(4b) Kritische Anfrage:
Leider weicht W. allen (politischen) Konkretionen der Kirche in der DDR aus (abgesehen von dem Hinweis auf Albert Schweitzers Programm von der "Ehrfurcht vor dem Leben") und spricht stattdessen nur allgemein von der Liebe. Allerdings kommt auch Hitler vor. So hieß es in der Nazizeit, er werde schon alles richten. Diese Art Autoritätsglaube komme jedoch für Christen erst recht nicht in Frage, hebt W. hervor. Leider fehlt aber jeder Hinweis auf die politische Relevanz des Glaubens in der damaligen gesellschaftlichen und politischen Realität der DDR. Wenn er betont, daß man weder diesem Staat noch sonst einem Staatswesen "Ehrfurcht" schuldet, sondern allein Gott, so hat er aus dogmatischer Sicht zweifellos recht. Aber wie wirkt sich dieses Leben im Alltag aus? Blendet W. nicht seine politischen Implikationen vollständig aus? Eine Liebe, die auch mit "Achtung" und "Ehrfurcht" gegenüber dem Nächsten übersetzt werden kann, verlangt von uns ein politisches Engagement für die Entrechteten und Verfolgten! Heute würde man auch die in ihrer Heimat politisch verfolgten Migranten miteinbeziehen müssen. Während die Nazizeit die Kirche politisierte, allerdings überwiegend in die falsche Richtung, erneuert der Predigt-Ansatz von W. in altbewährter Manier die reformatorische Trennung von Kirche und Staat. Er entpolitisiert damit die Funktion der Predigt, obwohl sie nach wie vor eine öffentliche Rede ist und schon deshalb gegen seine Intention immer auch politisch verstanden werden muß. Gewiß der SED-Staat duldete keine Einmischung der Kirchen in staatliche Belange, aber ein Glaube, der nicht zur bloßen (privaten) Lebenshilfe degenerieren will, muß sich auch politisch artikulieren, um Stärke zu beweisen, auch wenn er seinen Standort und die damit gegebenen Grenzen nicht verleugnen kann. Natürlich geht W. so auch allen Fragen der Kritik am sozialistischen Staat aus dem Weg, Kritik, die in einem demokratischen Staat normal ist, wenn sich auch hierzulande (2025!) die Politiker gerne diese Einmischung verbitten, weil die Kirche angeblich nicht über genügend Sachverstand verfüge und vor allem weil sie dazu nicht befugt sei. Eine Totalkritik am Staat ist sicher unakzeptabel, wenn er seine Ordnungsfunktion korrekt und gesetzestreu wahrnimmt. Wenn aber Kritik nur erlaubt wäre, wenn sich der Staat in illegitimer Weise an Gottes Stelle setzen würde, dann ist es meistens schon zu spät für ein kritisches Wort. Aber Kritik an Menschenrechtsverletzungen seitens des Staates ist notwendig, um den Staat an seine ihm obliegenden Aufgaben zu erinnern und Übergriffe in das Privatleben zu unterbinden. Die Stellungnahmen der DDR-Kirchen zum Staat zeigen, wie schwer es war, die Balance zu halten zwischen dem Gehorsam gegenüber Gottes Gebot und einem loyalen Verhältnis zum Staat. Und diese Predigt zeigt, daß es schwierig war, 1962 (nach dem Mauerbau) Gottes Wort in der DDR gegenüber dem Staat auch in seiner politischen Brisanz hochzuhalten.
(5) Aus homiletischer Literatur
(a) Predigtstudien 2009/2010. 2. Hb. (Bettina Naumann) S. 140f.: "Nüchtern und besonnen nach den Möglichkeiten und Grenzen von Handlungen und Entwicklungen zu fragen, die Zeichen der Hoffnung zu erkennen und zu fördern und sich dabei am Ende von einer großen Verheißung getragen zu wissen - im Hier und Heute, einzeln und als Gemeinschaft. Deshalb: Sorget nicht - sondern lebt, beauftragt von dem, der unser aller Leben hält." Dazu wollen uns die Verse aus 1. Petr 5 ermutigen, schreibt sie. "Nur wer bereit ist, auf seinen Status zu verzichten, anders gesagt: Demut zu üben", sollte in der Gemeinde an führender Stelle tätig sein. Denn "tragfähige Gemeinschaft" könne "nur im Verzicht entstehen". "Hochmütig ist, wer in seiner eigenen Gruppe und Lebenswelt bleibt, wer den direkten Kontakt mit Außenseitern, Fremden und Randgruppen - psychisch Kranken, Behinderten, Bettlern, Wohnungslosen usw. - meidet, diese ignoriert und übersieht - wer also die soziale Distanz wahrt und nie die direkte Kommunikation sucht, wer die anderen zu Empfängern von Mitleidsbekundungen oder Anklagen degradiert." Insofern sei Hochmut "Sünde gegen den Nächsten". (139) Demut üben ist eben nicht demütigend, sondern vielmehr ein Zeichen von Stärke (ebd.). Eine Folge müßte sein, "die eigenen Positionen, ... Lebensstile und Sicherheiten" aus selbstkritischer Distanz zu überprüfen (ebd.). Summa summarum: "Die Arroganten, Selbstgefälligen, Eitlen, Sich-Selbst-Überschätzenden sind fern von Gott, aber wer sich schwach und klein zeigt, ist Gott besonders nahe." (ebd.) "Zeigt"! Der Reiche kann es sich leisten, sich demütig zu "zeigen"; er vergibt sich nichts dabei (Beispiel: die Lebensmittel-Tafel für die Bedürftigen, von Reichen aus ihrem Überfluß gesponsort oder von Geschäften aus ihren Abfällen eingesammelt). Ist das die Demut, die der Apostel fordert?
4. Wie sind unsere persönlichen Probleme beschaffen? Sind sie mit den unter dem Stichwort des Versagens im Glauben erörterten Probleme von damals vergleichbar?
Verführt der Glaube nicht häufig dazu, das ihm entsprechende Handeln als überflüssig bzw. selbstverständlich anzusehen, ohne darauf zu achten, daß Glaube auch getan werden will?
Für den Arbeitskreis am 18. 9. 25, später noch ergänzt und korrigiert
Wolfgang Massalsky